„Denk einfach positiv!“ – Kann eine Methode alle Probleme lösen?

— von Olaf T. Schubert —

Es erscheint so einleuchtend….Wenn ich einfach positiv denke, mein Herz öffne und mir vorstelle glücklich zu sein, dann ist alles in Ordnung – und das Leben wird einfach schön. Zumindest ist es das, was uns die Positiv-Denken Bewegung seit gut einhundert Jahren erzählt, viele Bücher werden nach wie vor verkauft (und gekauft)… und grosse Teile der sogenannten „modernen Spiritualität“ bauen darauf basierend grosse Anhängerschaften auf. Ja, so leben zu können ist bestimmt einem Leben voller Zweifel, Bedenken, Angst und Unglück vorzuziehen… aber wäre das nicht auch nur eine Gedankenwelt, wenn auch eine viel schönere? Man fühlt sich ein bisschen an die Flower-Power-Bewegung des letzten Jahrhunderts erinnert, die Allheilungserwartungen der gen Indien gerichteten Augen (und der folgenden Enttäuschungen/Ernüchterungen… was letztlich zum Verruf des Begriffs „Guru“ im Westen führte)…

Nun, der Mensch ist ein untrennbares Ganzes mit den Aspekten Körper, Geist, Energie, und dem was als Seele, ursprünglicher Geist, universelles Bewusstsein… immer nur unzutreffend benannt werden kann. Der Mensch ist eine integrale Einheit all dieser Aspekte. Selbst grosse Teile der heutigen Wissenschaft, sowohl die Quantenphysiker, als auch die Biologen und die Neurologen, kommen immer mehr zu dieser Ansicht.

Die Art unseres heutigen Lebens… erwachsen aus unserem Gelernten, dem Erfahrenen, aus unseren Beziehungen, Identifikationen und Glaubenssätzen, aus Bewegungs-Schulung und -Gewohnheiten, aus körperlichen Haltungsweisen, der Art der Ernährung und unseren Schlafgewohnheiten… mit all den Problemen die wir wahrnehmen oder uns nur einbilden, ist äußerst vielschichtig, und integriert alle Aspekte die uns als Mensch ausmachen. Wie kann da die Lösung unserer Probleme in der Betrachtung bzw. Beschäftigung mit nur einem Aspekt liegen? 

Nehmen wir zum Beispiel mal körperliche Beschwerden. Vielleicht weiss so mancher bereits aus eigener Erfahrung, dass zum Beispiel ein *schmerzender Ellenbogen* (*hier kannst du dein eigenes Problem einfügen*) nicht einfach mechanisch zu kurieren ist. Das ahnt man schon daher, dass man oft gar nicht weiss, was dieses Problem überhaupt verursacht hat. Wo also ansetzen? Lösungsversuch Nummer 1: Schmerzsalbe/Tabletten. Hilft vielleicht, oder der Schmerz kommt später wieder. Wenn keine findbare Verletzung vorliegt, woher kommt’s dann? Überlastung? Fehlhaltungen? Verspannung? Vielleicht alles drei zusammen? Vielleicht haben die Verspannungen geistige Ursachen, aber welche? Und was ist mit der Ernährung? Eventuell nimmt man zu viele Stoffe zu sich, die auf die Gelenke gehen – aber welche? Vielleicht auch zu wenig Bewegung (Unterlastung), mit deswegen unzureichender Blutzirkulation in den Gelenken – man rostet sprichwörtlich ein? Vielleicht eine energetische Blockade – Ki kann nicht frei zirkulieren, aber wo genau, und warum? Solch körperliche Beschwerden haben aber auch umgekehrt Auswirkungen auf unseren Geist, und unsere Lebensenergie – alles ist eine Einheit: Man hat keine Lust sich zu bewegen, der Schmerz macht einen mürrisch, schlecht gelaunt. Das zieht einen runter, die verringerte Bewegung lässt das Energieniveau sinken. Gleichzeitig rattert das Gehirn: „So ein Mist, au das tut weh, woher kommt das bloss, warum hilft das und das nicht….“ 

Die Gründe für körperliche Beschwerden, die Auswirkungen auf unser Gesamtsystem, und die nötigen Lösungsansätze, können sehr vielschichtig sein. Und das ist kein Wunder, denn der Körper ist ein lebender, energetischer, und auch geistiger Prozess, der in ständiger Veränderung ist, und alles ist miteinander vernetzt. Ohne Geist kann keine Fingerspitze bewegt werden, ohne Energie auch nicht, und ohne Muskeln, Sehnen, Knochen ebensowenig. 

Und was ist mit geistigen Problemen? Nehmen wir zum Beispiel die Angst vor Trennung. Hier spielen vor allem zwei Aspekte ein Rolle, einerseits das (zunächst nur im übertragenen Sinne) Festhalten an einem Menschen. Da Körper und Geist eins sind, führt diese Einstellung immer mehr auch zu der körperlichen Manifestation in Form von Festhalten, also Verspannungen und Energieblockaden. Und die Vorstellung des eventuellen Getrenntseins, eine Projektion in eine mögliche Zukunft, macht Angst. Worauf unser Gesamtsystem mit Alarm reagiert. Das sympathische Nervensystem wird angeregt, Herzschlag, Blutdruck, Atemfrequenz, Adrenalinniveau und Muskelspannung steigen, die Verdauung wird eingestellt. So ruft eine geistige Haltung von Angst, ein pures Vorstellungsmodell einer eventuellen Zukunft, durchaus reale heutige energetische und körperliche Probleme hervor. Geht das durch Massage verspannter Muskeln weg? Hilft hier eine Ernährungsumstellung zur Beseitigung der Verdauungsprobleme? Teilweise, vielleicht, aber als dauerhafte Lösung wohl kaum. Und einfach positiv denken? Verdrängen wir dann nicht nur die Verlustangst? Nein, hier sind Identifikationen,  Anhaftungen und Glaubensmodelle am Werk… das liegt tiefer.

Nun denn, dann eine Heilsuche in der Spiritualität? Die Hoffnung, der Lehrer könne alle Probleme verschwinden lassen, oder die Illusion, wenn ich nur genug meditiere werden alle meine geistigen Probleme einfach verschwinden… Das ist pures Wunschdenken, geschweige denn dass ein Ellenbogenschmerz davon wegginge, oder eine unverträgliche Reaktion auf ein Lebensmittel. Aber ein zur Ruhe kommen, mal zu meditieren (gerne auch regelmäßig), und Zeit zur Reflexion zu finden – das wäre schon gut. Auch mit Hilfe des Lehrers mal zu schauen, und verstehen zu lernen, was da in meinem Geist vor sich geht, und was das mit meinem gesamten Leben zu tun hat. Wie Gefühle entstehen, und was man tun kann, oder nicht. Spiritualität im Leben ist ein essentieller Bestandteil, das brauchen wir alle (ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht), aber bitte in Balance zu allen anderen Aspekten des Lebens – und nicht in Überhöhung oder als alleiniges Heilmittel. Das schliesst übrigens spirituelle Lehrer selbst auch ein – es gibt durchaus einige bekannte Lehrer, die die körperlichen und energetischen Aspekte ihres Lebens selbst sehr vernachlässigen (krumme Körperhaltungen, Übergewicht, Diabetis…), was sich in dem was sie unterrichten widerspiegelt, und sie dabei aus meiner Sicht kein gutes Vorbild abgeben lässt. 

Auf der anderen Seite kann auch die (zum Glück) wieder auf dem Vormarsch befindliche Rückbesinnung auf unsere Körperlichkeit nicht die alleinige Lösung sein. Vor allem wiederum dann nicht, wenn sie zu einer Überhöhung führt, zur Erhebung des Körperlichen über alles. Solch ein Körperkult wäre auch wieder eine Übertreibung: eine zum täglichen Leben übertriebene, vielleicht gar unpassende Muskulatur, keine dazu passende Ernährung, vor allem aber auch eine übertriebene Identifikation mit dem Körper und dessen Aussehen. Anhaftungen, Festhalten, Angst vor Verlust, dann unweigerlich Verlust – denn kein Ding bleibt für immer.

So könnten wir uns auch alle anderen Aspekte anschauen… Weder eine noch so clevere Geistesschulung, noch die Hoffnung im Energetischen die Lösung für alles zu finden, oder in der weltbesten Diät, oder im einfach positiv Denken, werden für alle Bereiche meines Lebens das Allheilmittel sein.

Schlussendlich führt nichts an der Tatsache vorbei: Alles ist eine integrale Einheit aller Aspekte, unser Leben selbst, unsere Probleme, und auch der Weg aus den Problemen heraus. Daher sehe ich den einzigen Lösungsweg in einer ganzheitlichen Herangehensweise, oder anders gesagt in einer integrierten und harmonischen Lebensweise. Und das sowohl zur „Vorsorge“, als auch zur Behebung eventueller Probleme. Denn das Leben ist und bleibt vor allem eins – im ständigen Wandel, und bei aller ausgeglichenen Lebensweise kann man sich trotzdem mal verletzen, oder es stirbt jemand der uns nahe stand und es können Gefühle von Trauer, Wut, Angst entstehen.

Ganzheitlich leben heisst, sowohl die körperlichen und energetischen, als auch die geistigen und spirituellen Aspekte integriert und harmonisch in Balance zu „halten“. Oder besser so zu leben, dass man da eigentlich nichts „halten“ muss. Mit anderen Worten, die Bewegungsweise, die Menge der Bewegung, die Körperhaltungen (in Ruhe und wenn in Bewegung), die Ernährung, die Atmung, die Gedanken, Gefühle und Emotionen, die Weltsicht, innere Perspektiven und geistige Haltungen, Anhaftungen und Identifikationen, der Umgang mit Erinnerungen, Wünschen, Sorgen, Problemen… die Beziehungen zu anderen Menschen, dem Lebenspartner, den Kindern, Eltern, Verwandten, Nachbarn, Kollegen, Fremden… Beruf, Weiterbildung, Hobbies, Sport, Urlaub, Reisen, Gartenarbeit, Hausarbeit… Schlafen… Meditation… Reflexion… alle Aspekte unseres Lebens bilden eine integrierte Einheit, beeinflussen uns körperlich, energetisch, geistig, spirituell. 

Es liegt an dir, an jedem einzelnen selbst, das Leben gesund, bewusst, harmonisch zu gestalten: 

Suche die Lösung nicht in der Konzentration auf eines, und vernachlässige keines.